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WAR FROM A HARLOTS MOUTH - MMX

Eintragen am: 18.10.2010

WAR FROM A HARLOTS MOUTH - MMX
Da ist sie also, lang erwartet und bereits oft diskutiert: die neue Veröffentlichung der Mathcore-/ Progressive-/ Chaos-/ Grindcore-/ Jazz-Helden rund um War From A Harlots Mouth: "MMX". Nach dem SPLIT Release im Sommer mit BURNING SKIES aus England, gibt es nun gleichmal zwölf frische Stücke serviert, teils auch noch mit zwei Bonustracks versehen, wobei "Uptown Girl" ja mittlerweile bekannt sein sollte und hier in einer neu gemasterten Version seinen Platz fand.

Meine Erwartungen an die Jungs waren ordentlich hoch gesteckt, änderten sie doch mit jeder Platte die Rezeptur für ihren mal mehr, mal weniger eingängigen und trotzdem allzeit einzigartigen Stil, wodurch sie - nicht zuletzt mit der 2009er "In Shoals" - sicherlich eine Menge neuer Fans für sich gewinnen konnten, jedoch auch einige alteingesessene Anhänger auf der Strecke blieben. Die Songstrukturen harmonierten deutlich gemäßigter miteinander und man das komplette Album auch in einem Durchlauf hören konnte, ohne sich in Anfällen von Schizophrenie die Haut vom Körper zu kratzen, haha. Aber was zählt ist das hier und jetzt und somit die Erkenntnis, wie War From A Harlots Mouth im Jahre MMX so klingen.

Das Album startet mit "Insomnia", dem Song, der auf Myspace als erster Vorgeschmack auf "MMX" zur Verfügung stand. Und der Grund dafür ist meiner Meinung nach nicht nur die Tatsache, dass selbiger Song dann eben auch als Opener den Weg auf das komplette Werk gefunden hat, sondern vielmehr der Fakt, dass der Track in seiner Gesamtheit tatsächlich eine Rückbesinnung auf alte Tugenden im Sinne der "Transmetropolitan" darstellt. Denn er beginnt mit ähnlichen Blast-Attacken, gepaart mit konsequent disharmonischen Gitarren bis nach der ersten Minute das Tempo zusammenbricht und sich der Charakter mehr in Richtung grooviger, direkt moshiger Anteile verschiebt. Das überrascht etwas, schließlich lautete ein Statement der Berliner bezüglich der anstehenden Veröffentlichung der oben erwähnten Split-EP, dass die klassischen Hardcore-Elemente à la Moshparts und 2-Step auf "MMX" noch weiter zurückgeschraubt werden bzw. möglicherweise komplett ihre Daseinsberechtigung verlieren sollten. Betrachtet man nun das Resultat, so muss man eher feststellen, dass die Mischung weitaus "tanzbarer" als das "In Shoals" Material ist, jedoch keinesfalls dessen ausgefeilte Kompositionen vermissen lässt. Der Fokus wurde auf ein gesteigertes Grundtempo gesetzt, was vor allem am Anfang der einzelnen Songs die Dramatik der Arrangements enorm steigert.

Song Nummer Zwei "To Age And Obsolete" startet sogleich mit einem Moshpart, der im Laufe seiner knapp dreißigsekündigen Dauer immer mehr an Struktur und Ordnung verliert und somit nahtlos in einen deutlich schnelleren, mit Blastbeats unterlegten Teil übergeht, welcher fast spröde wirkt und sich in einen Jazzpart verläuft, der stimmungsmäßig in etwa an "Justice From The Lips Of The Highest Bidder" angelehnt ist. Dank echt gediegener Melodieführung und Beseneinsatz am Drumkit bietet das Teil pures musikalisches Understatement. Das Tempo wird nochmals verschärft und das Ende kommt unverhofft. Es wurde ja oft kritisiert, dass War From A Harlots Mouth immer weiter diese kompromisslose Verknüpfung von Jazz und Hardcore aus den Augen verloren haben - Tatsache ist jedoch, dass die Jazzparts heutzutage einfach bei weitem nicht mehr so subtil sind, wie z.B. bei "Fighting Wars With Keyboards". Vielmehr sind es eher in sich geschlossene Songs, die - gerade auf "MMX" - nahezu perfekt in die umgebenden Bestandteile eingeflochten sind und somit einen ungemein höheren kompositorischen Anspruch beinhalten. Da sind es solche Kleinigkeiten, wie eine dezent ins Stereobild gesetzte, abgedämpfte Gitarrenspur auf "Sleep Is The Brother Of Death", die das Album so lebendig machen, dass ein paar Durchläufe einfach nicht reichen, um die gesamte Tragweite der Strukturen entdecken zu können. Technisch gesehen braucht man natürlich keine Fragen aufkommen lassen, denn hier sitzt alles am richtigen Platz und hat Hand und Fuß - sogar jeweils zwei von beidem. Auch der Gesang gefällt mir richtig gut und fast noch einen Ticken besser als Anno 2009, denn meine Meinung nach trifft Nico die Stimmungen der einzelnen Songs noch etwas besser.

Hinsichtlich des Sounds der Platte sollte gesagt werden, dass die klanglichen Experimente, die auf der "In Shoals" initiiert wurden, scheinbar zurück geschraubt worden sind, denn selbiger wirkt weitaus direkter, deutlich zu bemerken an der Bass-Drum oder dem restlichen Panorama des Schlagzeugs. Zwar wirkt das Klangbild in seiner Gesamtheit immer noch recht dynamisch, gerade was die Gitarren angeht wurde aber deutlich mehr Wert auf Durchsetzungsfähigkeit und Präsenz gelegt. Aber diese Sache mit den Raummikrofonen war eh eine dicke Frage des Geschmacks - für mich persönlich bringt die auf "MMX" gewählte Lösung deutliche Vorteile in den härteren Momenten des Albums. In den Jazzparts brachte diese Art jedoch eine selten erfahrene Stimmung, als ob man selber auf einem Barhocker in der verrauchten Jazz-Kneipe sitzen würde.

Was lässt sich nun zusammenfassend über "MMX" sagen: erst einmal, dass es ziemlich beeindruckend ist, wie man seinen Stil so gekonnt variieren kann, ohne den roten Faden zu verlieren. Zweitens muss man objektiv feststellen, dass hier ein höheres Maß an Kompromisslosigkeit zu vernehmen ist, als noch auf der "In Shoals" und sich die Platte für mich stilistisch irgendwo zwischen genannter und der 2007er "Transmetropolitan" bewegt, wenn auch die deutlich veränderte Herangehensweise hinsichtlich des Gesangs einen direkten Vergleich zu letztgenanntem Release sehr erschwert. Weiterhin ist der "An-einem-Stück-durchhör"-Faktor wieder etwas gesunken, weil die Songs an sich einfach anstrengender zu hören sind und ein großes Maß an Arbeit seitens des Hörers erfordern... das macht aber gerade den Charme von "MMX" aus, was es für mich persönlich zur stärksten Veröffentlichung der Berliner bisher macht. Anspieltipps zu nennen, fällt eher schwer, da vielmehr das Gesamtbild zu überzeugen mag - oben genanntes "To Age And Obsolete" oder die thematisch zusammen gehörenden Songs "Sugarcoat" und "Spineless" sind aber ganz gut hervorgehobene Hausnummern.

Und somit gebe ich tatsächlich einem Album die volle Punktzahl, weil ich denke, dass man hier einfach die perfekte Symbiose aus den Bestandteilen bekommt, die War From A Harlots Mouth seit der "Falling Upstairs EP" ausmachen.

 

Pro
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Kontra
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Wertung: 10 / 10 Punkte
Autor: GotBRegistriert: 22.08.2009 - Verfasste Artikel: 2.741 - Forenposts: 245 - Alle Artikel anzeigen
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Allgemeine Informationen

Veröffentlichung: keine Angabe

Spielzeit: 32:24 min

Label: Lifeforce Records www.lifeforcerecords.com

Band: www.myspace.com

Tracklist:

01. Insomnia
02. To Age And Obsolete
03. The Increased Sensation Of Dullness
04. Sleep Is The Brother Of Death
05. The Polyglutamine Pact
06. Cancer Man
07. C.g.b. Spender
08. Sugarcoat
09. Spineless
10. Recluse Mmx
11. Inferno Iii/vi
12. Hexagram (deftones Cover) (bonus Track Digipak And Digital)
13. Uptown Girl 2009 (remastered) (digital Bonus Track)

Discografie:

2010 - Mmx
2010 - Split /w Burning Skies
2009 - In Shoals
2007 - Transmetropolitan
2006 - Split /w Molotov Solution
2006 - Falling Upstairs Ep