Interviews

CALIBAN

Century Media Records

Am 3. Februar 2012 erscheint mit "I Am Nemesis" das mittlerweile achte Studioalbum einer der bekanntesten Vertreter des deutschen Metalcore, die seit den ausgehenden 90er-Jahren permanent mit neuen Veröffentlichungen und On Stage unterwegs waren. Anlässlich dessen hat sich Gitarrist Marc die Zeit genommen, uns per E-Mail Rede und Antwort zu stehen.

partyausfall.de: Hallo Marc. Schön, dass wir ein paar Worte wechseln können.

Marc: Hey, freut mich auch!

partyausfall.de: Zum Anfang gleich mal eine berüchtigte Standardfloskel: Wie geht es euch? Wie war euer Start ins Jahr 2012?

Marc: Soweit alles gut! Ich bin ja über die Feiertage nach Brasilien geflogen, von daher nochmals extra gut!! Hehe. Ansonsten konnten wir alle die Pause nach der monatelangen Arbeit an dem Album gebrauchen vor der Tour, denke ich!

partyausfall.de: Das neue Jahr bedeutet für euch auch gleichzeitig ein neues Album: "I Am Nemesis" wird in Kürze erscheinen und euer mittlerweile achtes Studioalbum in weit über 10 Jahren sein. Mal ehrlich - hättet ihr damals in den ausgehenden 90ern gedacht, dass ihr anno 2012 ein Interview anlässlich eures achten Albums geben werdet?

Marc: Auf gar keinen Fall! Ich meine klar, man denkt vielleicht mal über sowas nach, wo es hingehen könnte. Aber so weit im Voraus hab ich da nie drüber nachgedacht! Ist glaube ich auch besser, sich auf das zu konzentrieren, was man gerade macht.

partyausfall.de: Kommen wir auf "I Am Nemesis" zu sprechen: ich gehe doch sicherlich recht in der Annahme, dass ihr zufrieden seid damit, wie das Album geworden ist, oder?

Marc: Also zufriedener könnte ich/wir gar nicht sein! Da steckt so viel Arbeit drin und alles ist bis ins kleinste Detail ausgearbeitet!

partyausfall.de: Im Pressetext war zu lesen, dass die Entstehungsprozedur mit 10 Monaten nahezu doppelt so lange gedauert hat, wie bei vorangegangenen Veröffentlichungen. Worauf ist das zurückzuführen? Habt ihr euch bewusst die Zeit genommen, um vielleicht an der ein oder anderen Stelle noch einmal mehr Hand anzulegen oder ergibt sich diese Zeitspanne einfach aus den restlichen Verpflichtungen, die man so als Vollzeitmusiker zu erledigen hat?

Marc: Das ist ganz bewusst so gewesen und hat nichts mit anderen Verpflichtungen zu tun! Ich wollte neue Einflüsse in das neue Album mit einbringen, ohne den eigenen Sound zu vernachlässigen. Ich mag es nicht, wenn Bands stagnieren und das gleiche Album immer wieder und wieder aufnehmen, zumindest wollen wir nicht so eine Band sein. Wir haben viel rumprobiert und sehr viele Songs sind in die Mülltonne gewandert bis wir das Ergebnis hatten, nach dem wir gesucht haben!

Es gab auch ein Zwischenstadium, wo es schon mal 7 fertige Songs gab, die dann auch wieder alle in der Tonne gelandet sind, haha... Und selbst nachdem der Sound gefunden war, sind insgesamt ca. 50 Songideen geschrieben worden, um dann die besten 12 auszuwählen, die dann weiter ausgearbeitet wurden!

partyausfall.de: Wie läuft der Songwriting-Prozess bei euch ab? Ganz klassisch im Proberaum oder werden Tabs herumgeschickt? Inwieweit findet bei euch das Songwriting im Studio statt?

Marc: Ich schreibe das Grundgerüst zuhause, nehme es auf und programmiere grobe Drums drunter, um die Songidee festzuhalten. Das schicke ich dann an den Rest der Band und an Benny, unseren Produzenten. Für die Verfeinerungen an den Songs treffe ich mich dann mit Benny und wir überlegen zusammen, welche Songs es wert sind weiter ausgearbeitet zu werden. Wobei natürlich auch der Rest der Band mit einbezogen wird. Manchmal kommt es vor, dass ich mit fünf Songideen zu Benny fahre und dann nur mit einem Track nach Hause komme!



Dann überlegen wir anhand der Stimmung der Songs, was für Texte dazu passen könnten und Andy fängt an welche zu schreiben. Dieses Mal hatten wir knapp 300 Seiten - würde ich sagen - an Papieren mit Textideen usw. Wovon wir dann auch die finalen 12 gewählt und sie an die Songs angepasst haben.

Zum Schluss kommen dann die Keyboards, die vorher nur als grobe Idee aufgenommen wurden. Wir denken immer schon vorher bzw. während wir Songs schreiben über die Keyboards nach und binden sie ins Songwriting mit ein, damit das hinterher nicht einfach nur drüber geklatscht wird.

partyausfall.de: Was mich so interessieren würde: Als professioneller Act ist man ja doch mehr auf das - möglichst positive - Feedback der Hörerschaft angewiesen, als die Hardcore-Band, die aus Spaß an der Freude neben Arbeit oder Studium die Musik als gewissen Ausgleich betreibt. Ändert das nicht irgendwie die Art und Weise, mit der ihr an das Songwriting herangeht? Soll heißen, kommen da nicht öfter mal Gedanken wie "Also wenn wir den Part jetzt so spielen, dann gefällt das sicherlich noch einer ganzen Reihe Hörer mehr"?

Marc: Eigentlich nicht! Wir haben nur, wie ich das schon angesprochen habe, mehr Zeit, um alles auszuarbeiten. Ich denke das ist der größte Unterschied.

Klar ist man quasi auf positives Feedback angewiesen, aber wir machen die Musik die uns gefällt und die wir machen wollen. Wenn das dann nicht auf positives Feedback stößt, haben wir Pech gehabt und müssen das "Professionelle" ablegen. Aber verstellen um mehr Leuten zu gefallen kommt für uns nicht in Frage. Das würde sich denke ich auch gestellt anhören und die Fans würden das mit Sicherheit merken! Aber wir hoffen doch mal, dass das neue Album den Leuten genauso gut gefällt wie uns!

partyausfall.de: Was wolltet ihr auf "I Am Nemesis" im direkten Vergleich zum Vorgänger "Say Hello To Tragedy" musikalisch verändern?

Marc: Hmmm, ich denke, das habe ich in Frage 5 schon grob beantwortet. Ich denke, Einflüsse von Meshuggah oder auch Dredg sind relativ hörbar! Mit Meshuggah meine ich die schweren groovigen Riffs, die ich versucht habe einzubauen, ohne es total vertrackt zu gestalten. Bands wie Dredg und Muse haben mich inspiriert, mit Effekten rum zu experimentieren! Das hört man dann bei Melodien wie im Refrain von "Memorial" oder auch in der Anfangsstrophe und dem Mittelteil von "Dein R3.ich".

partyausfall.de: Es wurde ja auch der ein oder andere Keyboard-/Synthesizer-Part eingebaut. Es wird sicherlich viele geben, denen das sauer aufstößt. Wie steht ihr generell dazu, jetzt nicht unbedingt bei euch persönlich, dass recht klassischer Sound immer stärker mit elektronischen Samples angereichert wird?

Marc: Naja wir haben ja schon seit einigen Alben Keyboardparts mit eingebaut, in manchen Alben mehr, in manchen weniger! Auf dem neuen Album sind schon einige Keyboards dabei, manche Sachen hören sich aber auch nur wie Keyboards an, sind aber in Wirklichkeit nur Gitarren mit den verschiedensten Effekten, was davon kommt, dass ich ja wie gesagt viel mit sowas experimentiert habe auf diesem Album. Ich glaube nicht, dass so etwas schlecht aufgenommen wird. Bisher hatten wir da nie Kritik dazu bekommen... aber mag schon sein, dass dem einen oder anderen das nicht gefällt, wobei wir wieder bei Frage 7 wären, hahahaha! Ich sehe das eher positiv, dass es Bands gibt, die auf solche Stilmittel zurückgreifen, da es das Musikspektrum ja erweitert. Wem es nicht gefällt, hat ja noch genug andere Bands, die er hören kann, die keine Keyboards haben!

partyausfall.de: Weil es ja etwas mit der Keyboard-Problematik zu tun hat: "Back To The Roots" ist so eine Phrase, die ja dauerhaft präsent in unseren musikalischen Gefilden herumschwirrt und es gibt einige Stimmen, denen ein zweites "A Small Boy And A Grey Heaven" oder "Vent" lieber gewesen wäre. Was entgegnet ihr denen?

Marc: Das wird nicht passieren! Nicht, weil wir nicht mehr zu diesen Alben stehen, sondern weil wir uns weiter entwickelt haben und wie gesagt nicht stagnieren wollen mit dem, was wir machen! Es wird aber immer Einflüsse aus dieser Zeit geben, da diese Alben natürlich auch ein Teil von uns sind. Gerade auf dem neuen Album höre ich zumindest den einen oder anderen Einfluss vom "Vent", mehr aber Richtung "Shadow Hearts" würde ich sagen! Das habe ich aber auch jetzt schon häufiger gehört, dass Leute, die das neue Album schon gehört haben, hier und da schon den "Shadow Hearts"-Einfluss hören!

partyausfall.de: Kommen wir zum textlichen Inhalt der neuen Scheibe. Ich würde euch gerne drei Titel nennen und euch bitten, unseren Lesern in ein paar Sätzen eure Gedanken beim Verfassen der Texte mitzuteilen: "No tomorrow", "Edge of black" und "This oath".

Marc: Da hast du dir ausgerechnet die zwei persönlichen Texte von Andy rausgesucht! Und da möchte ich ungern seine Beweggründe aufschreiben, da ich sie nicht genau kenne und ich da nix Falsches sagen will! Zu allen anderen hätte ich was schreiben können, "Memorial" ist zwar auch persönlich, aber da war ich dabei, als er den Text geschrieben hat.

So kann ich leider nur zu "Edge of black" etwas schreiben. Das handelt von Öl-Katastrophen und wie manche Firmen ohne Rücksicht den Planeten verschmutzen und ausbeuten, es versucht wird, viel zu vertuschen, aber wir im Endeffekt alle darunter zu leiden haben! Das Konzept des Albums handelt generell von "Krankheit" oder "Infektionen" in jeglicher Hinsicht, sei es eine richtige Krankheit wie in "Memorial" der Krebstod von Andys Vater oder andere "Krankheiten", wie Rassismus, Verdummung durch Medien mit Schund, Internet-Disserei bei "Modern Warfare", korrupte Politiker oder auch Kindesmissbrauch. Das sind Krankheiten für unsere Begriffe! Für uns bedeutet Nemesis im weitesten Sinne "der Weltuntergang", so nach dem Motto "Hey, schaut mich an, ich bin der Weltuntergang", zumindest in moralischer Hinsicht! Nicht, dass es missverstanden wird, wir glauben nicht an den Weltuntergang in 2012, haha, sondern wollten wie gesagt nur aufzeigen, dass einiges in der Welt passiert, wo man nicht einfach wegsehen sollte!

partyausfall.de: Eine weitere immens wichtige Thematik wird in "Dein R3.ich" behandelt. Warum die Kryptierung des Songtitels?

Marc: Da es ja hauptsächlich um Rechtextremismus geht, haben wir da quasi ein Wortspiel draus gemacht. Einmal bedeutet es "Dein Reich", da die Person in dem Text in einer eigenen Welt lebt, die aus falschen Einflüssen entstanden ist. Dann, da es um Rechtsextremismus geht. "3. Reich" und dann noch die Ich-Perspektive der Person in dem Text, so zumindest die Idee! Der Text kann aber auch anders ausgelegt werden: Er behandelt quasi Extremismus in jeglicher Form! Zum Beispiel könnte man ihn auch gegen Religionsfanatismus gerichtet verstehen! Aber unser Anliegen war hauptsächlich gegen Rechts, deswegen das 3. Reich im Titel!

partyausfall.de: Wie seht ihr die Art und Weise, wie die Faschismusproblematik im Hardcore/Metalcore behandelt wird? Geschieht das mit ausreichender Intensität und Nachdruck?

Marc: Es gibt ja schon Bands, die sich damit auseinander setzten, wie z.B HEAVEN SHALL BURN, aber ich denke darüber kann man nicht wirklich genug schreiben oder sich mit auseinander setzen!

partyausfall.de: Im Zuge der Problematik um den Nationalsozialistischen Untergrund bzw. der Zwickauer Terrorzelle ist ein Verbotsverfahren der NPD ja wieder in das Zentrum der medialen Aufmerksamkeit gerückt. Wie steht ihr zu dieser Diskussion?

Marc: Wenn ich ehrlich bin, habe ich das nicht wirklich verfolgen können, da wir zu der Zeit gerade im Studio waren und auch etwas außrhalb der Zivilisation - ich hatte da nicht mal Telefonempfang, haha! Da ist das leider etwas an uns vorbei gegangen. Ich habe nur ein oder zwei Berichte gesehen. Ich denke mal du willst darauf hinaus, ob man die Partei verbieten sollte wegen ihrer Ansichten oder ob man es eben nicht machen sollte wegen der Meinungsfreiheit?! Also ich für mich persönlich ist das Ende der Meinungsfreiheit definitiv erreicht! Ganz außer Frage natürlich, wenn es um solche Sachen wie in Zwickau geht!

partyausfall.de: Verlassen wir mal wieder das Politische: Ab Februar seid ihr 2012 auf Tour. Könnt ihr euch noch erinnern, wie viele Shows ihr in all den Jahren gespielt habt?

Marc: Nee, das würde schwer werden die alle zusammen zu zählen! Das letzte Jahr haben wir es etwas ruhiger angehen lassen, wegen dem neuen Album auf das wir uns konzentrieren wollten. Aber es gab Jahre in denen wir glaube ich ca. 250 Shows gespielt haben! Ich freue mich aber extrem auf die Tour, da ich die neuen Songs endlich live spielen möchte!

partyausfall.de: Euer Tourplan führt euch ja mittlerweile fast ausnahmslos auf große Shows bzw. Festivals. Vermisst ihr manchmal die Zeiten der kleinen vollgestopften Clubshows?

Marc: Klar! Ab und zu versuchen wir auch in kleineren Läden zu spielen oder wir versuchen, die Absperrungen wegzulassen auf etwas größeren Shows, damit da wenigstens die Nähe zu den Fans gegeben ist und die Leute stagediven können usw...

partyausfall.de: Wie wird das Jahr für Caliban nach der Tour im Februar weitergehen?

Marc: Das weiß ich noch gar nicht genau. Wir hatten bis jetzt zu viel um die Ohren mit der Platte, der kommenden Tour, Promo für das Album und ähnlichen Dingen. Wir haben uns auch für die Tour ein wirklich cooles Stagedesign einfallen lassen, aber ich will nicht zuviel verraten, sonst ist das keine Überraschung mehr! Danach wird man sehen. Ich denke Festivals und eine Tour in den USA wird in Angriff genommen! Den Rest wird man sehen...

partyausfall.de: Damit wären wir schon am Ende. Danke Jungs, dass ich ihr euch die Zeit genommen hat. Wir wünschen euch alles Gute und bis zum nächsten Mal. Die letzten Worte gehören euch.

Marc: Hey, danke euch für das Interview! Vielleicht sieht man sich auf einer der Shows auf der kommenden Tour? Und an all unsere Fans und auch Leute die uns nicht kennen: Hört mal in unser neues Album rein! Danke für euren Support!!!

 

Bilder/Credits: Century Media Records

Autor: GotBRegistriert: 22.08.2009 - Verfasste Artikel: 2.741 - Forenposts: 245 - Alle Artikel anzeigen
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