SIEBEN ZOLL MUSIK Kolumne

HEKS ORKEST - ENDLESS SCROLL 7INCH

Preisfrage: Wie spart man sich das Porto für Briefe, Postkarten und Paketpost?

Antwort: Ein Freund von einem Freund, dessen Name mir leider entfallen ist, hat mir mal erzählt, dass man einfach die aufgeklebten Briefmarken sorgfältig mit einem handelsüblichen Pritt-Stift einreiben sollte, bis das Postwertzeichen von einem möglichst gleichmäßigen transparenten Klebstofffilm bedeckt ist. Danach nimmt man einen Fön zur Hand und schwenkt ihn über den Pritt-Stift-Film, bis dieser vollkommen trocken und nicht mehr klebrig ist. Wird der anschließend versandte Brief dann von unserer geliebten Deutschen Post gestempelt, landet die Stempelfarbe auf dem transparenten Pritt-Stift-Film, nicht aber auf der Marke. Der Empfänger der Sendung kann den Stempel und den Klebestift-Film dann mit warmem Wasser von der Marke ablösen und darf sich nach gelungener Operation über eine jungfräuliche Briefmarke freuen. Unter Umständen kann dieselbe Marke so bis in alle Ewigkeit zwischen zwei Briefpartnern hin und her wandern, ohne dass jemals wirklich Porto gezahlt wird.
Label: Youth Conspiracy Records
Extras: Siebdruck-Cover, Handnummerierung, limitierte 500er Auflage - mehr DIY-Kitsch geht nur noch, wenn Bandname und Songtitel per Kartoffeldruck auf die Etiketten gestempelt werden.
Note: Ruckel-Zuckel-Emo-Punk von Erwachsenen für Erwachsene.

Wie dieser Freund von einem Freund (dessen Name mir leider entfallen ist) weiterhin zu berichten weiß, kommunizierte die europäische Hardcore-Szene in den Neunzigern auf diese Weise jahrelang quasi zum Nulltarif und verschickte auch haufenweise Platten, ohne Portokosten berechnen zu müssen. Nun stellt sicher der ein oder andere die berechtigte Frage, wer denn heute noch Briefe schreibt und wozu dieser dolle Tipp überhaupt gut sein soll.

Nun, worauf ich hinaus will ist Folgendes: Die Preisspirale schraubt sich auch bei DIY-Platten unaufhaltsam in die Höhe, und momentan sehe ich recht wenig bis gar keinen Willen (von "Einfallsreichtum" ganz zu schweigen) bei den Händlern des schwarzen Goldes, um "unnötige" Kosten zu vermeiden bzw. Platten zu einem möglichst geringen Preis anzubieten. Stattdessen hört man allerorten nur die unerträgliche Mär von "Alles wird teurer, also werden auch die Platten teurer". Was nun für wen praktikabel ist, will ich im Einzelnen gar nicht diskutieren. Mir geht es nur ganz einfach gegen den Strich, in einer Szene, die sich nach wie vor betont antikommerziell gibt, eine ernsthafte Diskussion über explodierende Preise vermissen zu müssen.
Vom gleichen Gedanken - dem Willen, tolle HC-Platten preiswert anbieten zu können - getrieben, importierte ein anderer Freund kürzlich ein größere Zahl von HEKS ORKEST 7"s in unser verhasstes Heimatland. Dabei fand er Mittel und Wege - Stichwort "Promotional copy, not for sale!" - um Zoll und Einfuhrumsatzsteuer zu umgehen, sodass er die Scheibe nun zu einem sehr fairen Preis verkaufen kann. Nett, wie er nun einmal ist, stellte mir dieser Kollege neben den beigefügten Fotos auch eine HEKS ORKEST Single zur Besprechung in diesem Blog zur Verfügung ...

Heks Orkest ist eine relativ junge Post-Hardcore-Band, in der eine Reihe alter Leute von der Nordostküste der USA (Richmond, Philly, New York ) noch einmal richtig auf den Putz hauen. Der Vollständigkeit halber - und um den Nerds unter euch ein wenig Zeit zu ersparen - habe ich mich um eine "Ex-Mitglied-von-Auflistung" bemüht, die auch ziemlich vollständig sein dürfte. Bei Heks Orkest sind folgende Althelden tätig:

Ed Trask - Drums in Heks: Avail, Kepone, Holy Rollers
Cam DiNunzio - Gitarre in Heks: Denali, Grip, Four Walls Falling, Lazycain, River City High
Jonathan Fuller - Bass/Gitarre in Heks: Sleepytime Trio, Bats and Mice, Engine Down
Keeley Davis - Bass/Gitarre in Heks: Denali, Engine Down, Sparta, Glös
David Grant - Gesang in Heks: Action Patrol, The Episode, Service Anxiety

Viel Drive Like Jehu, etwas filigranere Swing Kids und einen Spritzer Hoover - das sind nach meinem Dafürhalten die musikalischen Eckpfeiler, an denen man Heks Orkest auf dieser Zwei-Song-Single messen muss. Obwohl sie mit knackig-rockigen Gitarren und einer liebenswert schräg-vertrackten (aber dennoch tighten) Rhythmusgruppe aufwarten, ist diese (Achtung, es folgt ein Unwort) "All-Star-Combo" doch melodischer als die drei genannten Referenzbands zusammen. Besonders der Gesang schwankt zwischen wütend schreiend und verhalten singend hin und her und unterstützt damit wunderbar die Dynamik der Band.
Unterm Strich eine wirklich tolle Single von einer vielversprechenden Veteranen-Truppe, die mit einer zeitgemäßen Version des Lovitt/Dischord-Sounds überrascht und auch live eine sehr unterhaltsame Truppe zu sein scheint ...

www.heksorkest.com

 

Bilder/Credits: PJ Sykes

Autor: xschmelzerxRegistriert: 19.11.2010 - Verfasste Artikel: 70 - Forenposts: 63 - Alle Artikel anzeigen
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